Peter Schrag, genannt «Schräge», ist eine lebende Legende beim Zürcher Schlittschuhclub. Fernab vom Rampenlicht trägt der 76-Jährige mit der puren ZSC-DNA seinen Beitrag zur Klubgeschichte bei. Angeboren ist ihm die Leidenschaft zum Hockey nicht. In seiner Blütezeit hütet er als Torwart den Kasten des damaligen Erstligisten FC Thalwil und arbeitet hauptberuflich als Hauswart in Niederhasli ZH. Eines Tages fragt ihn ein ehemaliges Vorstandsmitglied des ZSC an, ob er nicht als Materialwart beim Zett aushelfen möchte. Seine Antwort: «Ja, ja, ich schau es mir mal an.» Tatsächlich heuert er bei den Zürcher Eishockeyanern an und macht jeweils während den kälteren Jahreszeiten den Materialwart beim ZSC. «Es gab damals noch kein klassisches Sommertraining, also arbeitete ich nur während der Saison für die Mannschaft. Es war ein reines Hobby mit etwa drei Trainings pro Woche. Das Schleifen musste ich mir selbst aneignen.» Und nun, fünf Dekaden später, hinterlässt Schräge seine Spuren in der Swiss Life Arena.
Spezielle Weggefährten
Peter Schrag, der frühere Materialwart und jetzige Verantwortliche für die Wäsche, hat viele Spieler in seiner Laufbahn kennengelernt. Einige blieben ihm besonders in Erinnerung. Die speziellsten Spieler fand er die Gebrüder Schmid oder Mario Eichholzer. Mit diesen Herren ging es nach dem Training auch mal in den Ausgang. In der jüngeren Klubgeschichte hebt er Severin Blindenbacher oder Patrick Geering vor, mit denen er eine spezielle Bindung hat.
«Heute ist alles ein wenig anders, professioneller halt. Früher durfte ich den jungen Spielern noch selbst Aufgaben verteilen. Bis mich eines Tages Edgar Salis rügte, weil ich einem jungen Spieler die Leviten las. Da merkte ich, dass sich die Zeiten ändern.» Augenzwinkert möchte er die Chance nicht verpassen, Alexei Krutov hervorzuheben. «Dieser Kerl war ganz speziell. Der mit Abstand verrückteste Spieler, der mir in meinen 50 Jahren über den Weg lief.»
24/7 ZSC
Während das Hallenstadion 2005 in seinen Renovationsarbeiten steckte, gab es für Schräge ebenfalls einen Tapetenwechsel: Eine Vollzeit-Stelle beim ZSC als Materialwart. Von da an ging es rund um die Uhr um den ZSC – aus dem Hobby wurde ein leidenschaftlicher Beruf. Fortan nimmt der Mann, den alle wegen seines karierten Hemds und der Brissago Zigarre im Mund kennen, neue Projekte in die Hand. «Es war an der Zeit, in der KEBO Garderobenspinde für die Spieler zu organisieren. Also bediente ich mich kurzerhand in der Zürcher Messehalle und transportierte nach der Heim-WM 2009 solche Garderobenspinde in einer Nacht- und Nebelaktion in die Garderoben der ZSC Lions und GCK Lions. Später musste ich meine Tat gestehen, sie blieb zum Glück ohne Konsequenzen. Es ist bis heute ein offenes Geheimnis.» Doch auch Schräge geht mit dem Wandel der Zeit. Der Hockeysport wird professionalisiert und plötzlich steht nicht mehr nur Eishockey auf dem Tagesprogramm, sondern auch viele Extraschichten im Kraftraum gehören dazu. «Ich nenne keine Namen, aber glaubt mir, die Krafttrainings waren definitiv nicht jedermanns Sache», sagt er schmunzelnd.
An der Front
Als Materialwart stand das Urgestein viele Spiele an der Bande. «Wenn es schlecht lief, wurde ich laut während den Spielen. Ich geigte den Spielern einfach meine Meinung. Zum Glück waren sie nie nachtragend, denn ich habe früher gelegentlich den ein oder anderen zusammengestaucht. Auch die Schiedsrichter kriegten ihr Fett ab. Prompt erhielt ich zweimal in meiner Karriere eine Strafe. In der Zeit, als wir noch als Liftmannschaft fungierten, passte mir die Schiedsrichterleistung gar nicht. Obwohl ich immer einen guten Draht zu den Unparteiischen pflegte, übertrieb ich es auswärts in Kloten. Der Schiri schickte mich, ohne lange zu fackeln, in die Garderobe und beendete somit meinen Arbeitstag.»
Interimstrainer und Meisternächte
Schräge kann nach Belieben aus dem Nähkästchen plaudern, wobei ihm zwei Stories besonders in den Sinn kommen. Das Team stand damals in einer Krise und verlor mehrere Spiele in Serie. Der Stuhl des Trainers wackelte bereits gewaltig, also blieb den Klubverantwortliche nur noch eine Möglichkeit: Peter Schrags Bauchgefühl. «Ich durfte vor dem Auswärtsspiel in La Chaux-de-Fonds die Aufstellung machen. Natürlich gab es einen Sieg, was hingegen schlecht für den Trainer war. Am nächsten Tag musste er seine Koffer packen und der Zett machte sich auf die Suche nach einem Nachfolger.»
Unvergessen bleibt der erste Meistertitel im Hallenstadion 2000: «Ich kann diesen Moment kaum beschreiben. Etwas vom grössten, das ich je erlebt habe. Ich war drei Tage lang nicht daheim und in totaler Feierlaune.»
Verewigt und geehrt
Für die Zukunft wünscht sich Schräge bei guter Gesundheit zu bleiben und weiterhin im Klub tätig zu sein. Und: «Es wäre schön, als Team nochmals was Grosses zu leisten.» Den Umzug von Oerlikon ins neue Zuhause nach Altstetten begrüsste er übrigens trotz der vielen Erinnerungen sehr: «Es ist das Beste, was der Organisation und der Bevölkerung passieren konnte. Ich erlebte alle möglichen Projekte und schliesslich die Entstehung der Swiss Life Arena mit. Nun ist sie real und unfassbar toll», schwärmt die lebende Legende. Was Peter Schrag lange nicht wusste: Er wurde dank einer Emotionalisierung im Löwenkäfig verewigt und wird am zweiten Heimspiel am 19. September für seine Verdienste geehrt.