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Als die NHL-Stars in der «Sardinenbüchse» von Oerlikon gastierten

Als die NHL-Stars in der «Sardinenbüchse» von Oerlikon gastierten

Weisch no? Vor 20 Jahren mussten die ZSC Lions ihre Heimspiele in ihrer Trainingshalle austragen. Aber nicht nur deswegen war es eine aussergewöhnliche Saison.

Simon Schenk war für seine Aufgaben nicht immer zu beneiden. Der Sportchef und Geschäftsführer der ZSC Lions musste für die Saison 2004/05 eine interimistische Heimstätte für die Löwen suchen. Der Grund: der Umbau des Hallenstadions. Der Emmentaler und SVP-Politiker mit hartem Grind und feinem Gespür pflegte in jenen Tagen zu sagen: «Ich bin ein Asylsuchender.»

                                                     

Architekt Ernst Meier, damaliger Präsident des Vereins ZSC, unterstützte Schenk in dieser Angelegenheit, wo er nur konnte. «In den Sitzungen, mit wem auch immer, flogen manchmal die Fetzen», erinnert sich «Mister ZSC» an jene Zeit mit den vielen Verhandlungen und Meetings zurück. Verschiedene Varianten standen zur Diskussion, liessen sich aber aus diversen Gründen nicht realisieren. Das Ausweichen nach Kloten war versicherungstechnisch zu teuer, Basel war zu weit weg und die Halle in Küsnacht zu klein.

 

Also entwickelte sich der temporäre Umzug in die KEBO als beste Lösung. Die Trainingshalle bot 1600 Zuschauenden Platz und musste zuerst umgebaut werden – einfacher gesagt als getan. Mit viel Holz, Fantasie und gutem Willen wurde eine Arena gezimmert, die knapp 4000 Fans zuliess, aber Kosten von 3,2 Millionen Franken verschlang. Das gastronomische Angebot befand sich in der Tiefgarage oder im Eisbahn-Restaurant. Der ZSC konnte sich durchaus auf den Goodwill von Behörden und Bevölkerung verlassen: Rekurse wurden abgeschmettert. Und weil die Eishalle einen heimeligen Eindruck machte, wurde sie im Volksmund liebevoll «Stadiönli» genannt.

 

Prominente Spieler auf Schweizer Eis

 

Die Saison vor 20 Jahren ging nicht nur wegen der provisorischen Lions-Heimstätte in die Geschichte ein. In der NHL kam es zum Lockout. Berühmte Namen machten deshalb in der Schweiz ihre Aufwartung, auch in Oerlikon. Der HC Davos beispielsweise beschäftigte mit Joe Thornton (Boston), Rick Nash (Columbus) und Niklas Hagman (Florida) gleich ein prominentes Trio – mit Erfolg, wie sich später herausstellte. Schenk dagegen verzichtete darauf, sich auf die Schnelle in Nordamerika zu bedienen. Der Löwen-Sportchef befand das Kader um Topskorer Randy Robitaille als torhungrig genug.

 

Der elegante Techniker und ZSC-Flügel Claudio Micheli blickt zurück. «Für uns Spieler war es eine Umstellung. In den Jahren zuvor hatten wir normalerweise vor 8000 bis 9000 Besuchern gespielt. Nun waren es bei den Heimspielen nicht einmal 4000. Offenbar goutierten viele Fans den Umzug ins Stadiönli nicht. Es war ja nie ausverkauft, obwohl wir den Playoff-Final erreichten. Das hat uns doch überrascht. Die Zuschauer auf den Stehrampen waren ganz nahe beim Spielgeschehen. Wegen der Umbauten kam man sich vor wie in einer ‘Sardinenbüchse’.»

 

Micheli weiss noch, wie gehaltvoll jene Saison war. «Das Niveau der Spiele in jenem Winter war wegen der Präsenz der NHL-Profis unglaublich hoch. Man denke nur an das HCD-Trio. Eigentlich schade, konnten wir nicht im Hallenstadion antreten.»

 

Mittendrin statt nur nebenbei

 

Nicht nur für die Fans, sondern auch für die Journalisten ergaben die Spiele im Stadiönli ungewohnt nahe Einblicke und Szenarien. So befanden sich die Mediensitze direkt neben der Strafbank des Gäste-Teams. Wenn die bestraften Spieler mit den Refs unzufrieden waren, konnte man die Flüche der Cracks deutlich hören. Dabei war die Wortwahl nicht immer eine Offenbarung an die Spielleitung, an die Liga oder an das kleine Stadion.

 

Es gab aber auch Zuspruch von kompetenter Seite. So äusserte sich der damalige Lugano-Trainer Larry Huras begeistert über das Stadiönli: «Das Eis ist perfekt, die neuen Banden machen das Eishockey viel schneller als im alten Hallenstadion.» Ernst Meier, lange Jahre auch Chef des Club 21, erzählt, wie ihn heute noch treue Supporter auf jene Saison ansprechen, mit positiven Erinnerungen. Meier: «Das Stadiönli war eine Erfolgsnummer, aber zuschauermässig kein Hit.» Nach jenem Winter klaffte ein happiges Loch von mehreren Millionen in der Löwenkasse.

 

Sportlich dagegen war die Spielzeit 2004/05 für die Zürcher durchaus erfolgreich. Erst im Playoff-Final (1:4 in der Serie nach knappen Resultaten) wurden sie nicht nur, aber vor allem vom Davoser NHL-Trio gestoppt. Heutzutage fühlen sich die Löwen in ihrem neuen Revier in Altstetten mehr als wohl. Simon Schenk erlebte die Taufe der Swiss Life Arena nicht mehr. Er starb Ende April 2020 im Alter von 73 Jahren an einem Schlaganfall.

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