Die 28-jährige Sandra Heim hat sich im letzten Sommer für einen Tapetenwechsel entschieden. Next Stop ZSC Lions Frauen. Nach dem Abgang von Caroline Baldin hat die Mannschaft von Coach Angela Frautschi jemand neues für die Goalie-Position gesucht und mit Erfolg gefunden. Kein einfaches Erbe, wenn man auf das Titel-Repertoire der Vorgängerin zwischen den Pfosten schaut. Doch am 19. März 2023 stemmt Sandra, die ältere Schwester von André Heim (HC Ambri-Piotta), schon ihren dritten Pokal in dieser Saison in die Höhe. Ein unvergesslicher Moment für die Berner Oberländerin.
Sandra, für diese Saison hast Du dich einer neuen Herausforderung gestellt. Was entpuppte sich als grösste Challenge?
Ich bin es gewohnt, rund 40 Schüsse pro Spiel zu parieren, in Zürich sind es nur halb so viele. Es ist eine mentale Prüfung, eine Challenge, die ich gerade deshalb angenommen habe. Je mehr Schüsse, desto mehr komme ich in den Flow. Nun schaue ich, dass ich schon vor dem ersten Torschuss fokussierter bin. Dass ich das Spiel anders lese, immer mental auf der Höhe bin und auch bei weniger Arbeit den Fokus nicht verliere.
Warum hast Du Dich für ZSC die Lions Frauen entschieden?
Meine beste Freundin, Dominique Scheurer, spielt bei den ZSC Lions Frauen und es war klar, dass es ihre letzte Saison sein wird. Dieses Abenteuer wollten wir gemeinsam angehen und im besten Fall mit einem Titel krönen. Uns verbindet eine prägende Vergangenheit und deshalb war es umso schöner, ihren letzten Tanz gemeinsam zu bestreiten. Ich wohne auch bei Dominique und pendle arbeitsbedingt zwischen Interlaken und Zürich hin und her. Primär waren es aber die sportlichen Gründe, um nach Zürich zu kommen. Spiele zu gewinnen und Erfolge zu feiern.
Was war so prägend in der Vergangenheit und was verbindet euch?
Ich kenne Dominique schon lange. Wir waren Gegnerinnen in den Buben-Teams. Aus sportlicher Rivalität ist Freundschaft entstanden. In Kanada haben wir vier Jahre gemeinsam mit unserer Freundin Jordyn an der Grant MacEwan University gespielt. Leider ist Jordyn im Mai 2022 schwer verunfallt und von uns gegangen. Auch für sie wollten wir diese letzte Saison von «Domi» erfolgreich gestalten. Vor jedem Spiel haben wir die Köpfe zusammengestreckt und uns gesagt: «This one is for Jordyn!»
Mit der «Zurich Trophy» und dem nationalen Cup-Gewinn ist dir der Einstand gelungen…
Absolut. Schon im September 2022 bei der «Zurich Trophy» war ich ein wenig überrascht, wie eingespielt und gut wir waren, trotz kurzer Eingewöhnungszeit sowie wenig gemeinsamen Trainings. Das hat Mut gemacht und im Februar 2023 folgte mit dem Cup-Sieg die Bestätigung.
Der Cup war dein erster nationaler Titel. Was war dein persönliches Highlight der Cup-Kampagne?
Nebst dem coolen Pokal war es das Spiel in Graubünden gegen Celerina. Es war an jenem Tag so kalt, dass ich nach meiner Auswechslung gleich geduscht habe und umgezogen mit einigen Zusatzschichten an Kleidern dann das Bandentor bedient habe. Ein spezielles Spiel vor würdiger Kulisse und erst noch unter freiem Himmel – herrlich!
Nach dem Cup-Erfolg ist vor den Meisterschafts-Playoffs. Wie war die Gefühlslage vor der entscheidenden Saisonphase?
Wir haben eine sehr gesunde Truppe, die sehr angenehm ist und in der alle Spielerinnen die gleiche Leidenschaft aufs Eis bringen. Es ist ein klares Miteinander und alle hatten nur ein Ziel vor Augen: «dä Chübel»!
Für die Playoffs gab es ein neues Zuhause: der Löwinnenkäfig. Speziell?
Die Spiele in der Swiss Life Arena waren ein Highlight – und dann erst noch vor so vielen Zuschauern. Im Spiel gegen Thurgau hat Domi dieses unfassbare «between the legs»-Goal erzielt. Also der Stock zwischen die eigenen Beine geführt und von dort aus den Puck versenkt. Das war der Gamechanger für unseren Teamspirit. Jenes Tor hat den Playoff-Modus in uns so richtig geweckt.
Und auf einmal stehst Du im Finale gegen deinen Ex-Klub...
Das Kader von Thun hat sich stark verändert, doch der Coaching Staff war derselbe. Ich wollte nicht weg von Thun, sondern in Zürich eine neue Herausforderung finden. Noch heute pflege ich mit dem Thuner Trainer ein sehr gutes Verhältnis. Doch es war für mich sofort klar: Ich kann doch nicht von Thun weggehen und sie holen dann den Titel…
Ganz fit warst Du in der Finalserie aber nicht, korrekt?
Korrekt, ich spielte mit einem Leistenbruch. Aber ich wollte es durchziehen, solange das Leistungsniveau stimmte. Ich habe auf die Zähne gebissen, was Spuren hinterliess. Ich war froh, dass ich gleich zwei Tage nach dem letzten Finalspiel operiert werden konnte.
Spiel Fünf, Do-or-Die, 0:2 hinten. Es hat ein Wunder gebraucht, oder?
Ausser bei Strafen schaue ich praktisch nie auf die Spieluhr. Es spielt für mich keine Rolle, ob es noch zehn Sekunden geht oder eben zwei Minuten. Dass wir bereits in der 59. Minute waren, als Alina Marti der Ausgleich gelang, war mir gar nicht bewusst. Ich habe mir nach dem 0:2-Rückstand nur gesagt, dass ich alle abwehren muss – zwei Tore haben wir noch immer geschossen. Tatsächlich war spätestens in der Overtime und dem Siegtreffer von Skylar Fontaine der Hockeygott auf unserer Seite. Besonders für Dominique und mich ging mit dem Meistertitel ein Traum in Erfüllung, den wir eben auch für Jordyn erfüllen wollten.
Zurück im Alltag, wie sieht deiner aus?
Ich bin vollberufliche Personaltrainerin, Spezialistin für Bewegungs- und Gesundheitsförderung. Mit meinem Bruder André und Patrick Gasser haben wir im Dezember 2022 unser eigenes Crossfitness «Peak Athletics» in Interlaken eröffnet. Darauf liegt in der hockeyfreien Zeit der Fokus. Ansonsten mag ich es, das Leben in vollen Zügen zu geniessen. Die letzten Jahre waren eine Prüfung. Es darf gerne ein wenig ruhiger zu und her gehen, nicht immer nur mit Power.
Deine Ziele für die kommende Saison?
Spätestens ab Herbst geht es an die Mission Titelverteidigung, was sicherlich eine schwere Aufgabe sein wird. Es gibt neue und ausgeglichenere Teams nächste Saison. Doch wir schauen auf uns, die ZSC Lions Frauen.