Ihre Vorbilder füllen in den USA und Kanada längst ganze Stadien und fristen ein Dasein als weibliche Eishockey-Stars. Die Hauptfigur Riley im Film «Alles steht Kopf 2» träumt davon, einst ebenfalls von ihrem Hobby, dem Eishockey, leben zu können und sich derart ins Rampenlicht zu spielen. Nur muss sich die Animationsfigur als Pubertierende nicht nur sportlichen Herausforderungen stellen, sondern sich zunehmend auch mit «menschlichen» Gefühlen wie Freude, Kummer oder Wut auseinandersetzen.
Vor der Leinwand im Zürcher Kino Frame sitzen an diesem Sommerabend weit über 100 Zuschauerinnen, die sich nur zu gut mit Riley identifizieren können oder eine ähnliche Geschichte erlebt haben. Mit dabei sind die Lions-Juniorinnen sowie das Frauen-Team, das in der letzten Saison den Schweizermeistertitel holte. Ziel der Veranstaltung: Das Bewusstsein stärken für Sportarten mit einem extremen Gender-Gap. Dazu gehört in der Schweiz auch das Eishockey – auch wenn der Sport auf dem Vormarsch ist und sich die ZSC Lions dabei als Vorreiter hervortun.
«Einzige Organisation mit tiefem Unterbau»
Man muss sich nicht allzu weit auf die Äste herauslassen, wenn man behauptet, dass es das Frauen- und Juniorinnen-Eishockey in dieser Form in der Schweiz nicht gäbe, wenn die Lions-Organisation keine Vorreiterrolle übernommen hätte. Inzwischen zählen die Löwinnen bereits über 160 Spielerinnen in vier Teams inklusive Nachwuchs und ist damit die mit Abstand grösste Organisation der Schweiz.
Von Anfang an dabei ist André Weber, seit 40 Jahren für das Frauen- und Mädchenhockey bei den ZSC Lions. Nicht ohne Stolz sagt er: «Wir sind die einzige Organisation in der Schweiz mit einem derart tiefen Unterbau. Die Mädchen kommen zu uns, um mit dem Hockey zu beginnen, viele spielen sich durch alle Stufen durch und sind seit langer Zeit bei uns.» Es ist der grosse Unterschied zu anderen National League-Klubs: Beim ZSC fängt die Ausbildung im Juniorinnenbereich an, es gibt Entwicklungsmöglichkeiten bis ganz an die Spitze des Frauenhockeys.
Das klingt dann so: Hockeyschulen nur für Mädchen, Hockeykurse für Mädchen in den Herbstferien, ein reines Mädchenteam (Lions Girls) in der dritthöchsten Liga und an der Spitze der Pyramide die GCK Lions (SWHL-B) und die ZSC Lions (PostFinance Women’s League). Dass es immer mehr Mädchen werden, zeigt der rasante Zuwachs an Mädchen in der Erfassungsstufe der Löwen.
«Die Möglichkeiten bei den Lions für Mädchen und Frauen sind einzigartig», sagt denn auch Sara Bachmann, die als 14-Jährige in die Organisation der Zürcher gewechselt hatte und heute für die 1. Mannschaft stürmt. «Nur schon die Entwicklung in der Zeit, seit ich bei den Lions spiele, ist bemerkenswert. Als ich begonnen habe, gab es beispielsweise das reine Mädchen-Team, die Lions Girls, noch nicht. Damit ist die Hürde für Mädchen, die mit dem Hockey beginnen wollen, noch tiefer», so die frischgebackene Schweizermeisterin.
Alle Mädchen sollen stufengerecht spielen können
Dass die Lions-Organisation mittlerweile derart vielen Mädchen die Möglichkeit bieten kann, ihren Lieblingssport auszuüben und dabei auch noch professionell gefördert zu werden, ist das Ergebnis langjähriger Arbeit. «Unser Ziel war es, dass bei uns jedes Mädchen stufengerecht spielen und so entsprechend bestmöglich gefördert werden kann», sagt André Weber. «Mit der Gründung des GCK-Frauenteams, als Unterbau hinter den ZSC Lions, haben wir in diesem Bereich einen grossen Schritt gemacht.» Klar sei aber auch: «Solch nachhaltige Strukturen aufzubauen, das geht nicht von heute auf morgen. Sechs Jahre hat es gedauert, bis wir da waren, wo wir hinwollten.»
Um professionellere Strukturen aufzubauen, um Mädchen gezielt zu fördern, habe auch ein Umdenken stattfinden müssen in der Organisation: «Als immer mehr Mädchen das Hockeyspielen für sich entdeckt haben und sich einem Klub anschlossen, gab es eine Art Hockey-Boom, was natürlich sehr erfreulich ist», so Weber. Teilweise sei dabei aber der Leistungsgedanke etwas zu kurz gekommen. «Überspitzt gesagt war der erste Gedanke jeweils, wenn sich eine Juniorin bei uns meldete: ‘Hauptsache ein Mädchen’. Beim Zett soll beides möglich sein – die Möglichkeit für Mädchen, ihr Hobby auszuüben, aber auch leistungsgerecht gefördert zu werden.»
All das hat dazu geführt, dass es hockeybegeisterten Mädchen heute deutlich leichter gemacht wird, ihre Leidenschaft auszuüben. Die Mädchen, die sich gemeinsam die Heldengeschichte von Riley angesehen haben und danach mit leuchtenden Augen Autogramme von den Spielerinnen der 1. Mannschaft holten, haben aber höhere Ziele. Sie möchten auch dahin, wo ihre Vorbilder jetzt sind. Doch dafür braucht es nicht nur die nötigen Strukturen im Klub: «Das Wichtigste ist auch bei den Mädchen und Frauen nicht anders als bei den Männern. Wenn du ganz nach oben willst, braucht es riesigen Einsatz und ganz viel Kampf. Denn leicht wird es bestimmt nicht», sagt Angela Frautschi, die als Trainerin die ZSC Lions Frauen zum Meistertitel gecoacht hat.