«Züri, mir sind Schwiizermeister»! Am letzten Aprilabend des Jahres 2024 stemmen die ZSC Lions zum zehnten Mal in der Klubgeschichte den Meisterpokal in die Höhe. Bis tief in die Nacht feiert die Mannschaft mit den Fans diese glorreiche Errungenschaft. Manch einer verlässt die Feierlichkeiten erst in den Morgenstunden am Tag der Arbeit. «Job is done», pflegen Sportler in solch einem Fall zu sagen. Nach einer hervorragenden Regular Season mit dem Qualifikationssieg folgt in den anschliessenden beiden Playoff-Serien gegen Biel und Zug eine makellose Darbietung der Lions. Die Presse bemüht sich um Superlative, um den Leistungen der Zürcher gerecht zu werden. Doch im Final wird die Mannschaft von Marc Crawford bis ans Limit gefordert. Ein wilder Tanz mit den Löwen aus Lausanne findet erst im siebten und letzten Match einen Sieger. Die Saison nimmt ihr Ende genauso, wie sie angefangen hat: Mit den Fans Arm in Arm.
Startschuss in ein neues Kapitel
Wir drehen die Zeit um 255 Tage zurück. Die ZSC Lions laden am 19. August 2023 zum Season Opener in der Swiss Life Arena ein. Zu Gast sind die Wild Wings aus Schwenningen und den 5100 Zuschauenden wird eine unterhaltsame Testpartie gezeigt (3:0-Sieg ZSC). Noch viel wichtiger: Erstmals im neuen Löwenkäfig können die Fans ihren Helden ganz nahe sein. An der Autogrammstunde(n) schiessen die Fans unzählige Selfies mit Weber, Hollenstein und Co. Unterschrift hier, gemeinsames Posieren da. Auch die neuen Gesichter im Kader von Marc Crawford lernt die ZSC-Fanszene kennen. Grant, Frödén, Balcers und Zehnder strahlen um die Wette mit ihren Fans. Die Schlange ist lang, sehr lang sogar. Mehrere Stunden schreibt sich das ganze Team die Finger wund. Im Verlauf der Saison wird sich herausstellen, dass nicht nur die trendigen kurzgeschnittenen Sommerfrisuren wachsen werden, sondern auch die Bindung zwischen Mannschaft und Fans. Ein wesentlicher Faktor, der sich in der späteren Finalserie als matchentscheidend herausstellen sollte.
Ausrufezeichen
Die ZSC Lions geben von der ersten Partie an Vollgas. Die Euphorie um den 7:3-Auftaktsieg gegen Ajoie wird am Tag danach beim amtierenden Meister aus Genf zwar ausgebremst. Und doch reihen sich später sechs Siege in Serie aneinander. Besonders süss? Der starke 5:1-Sieg beim ersten Derby der Saison. Dass dies der einzige Sieg gegen Kloten bleiben würde in der Saison 2023/24, ahnt zu diesem Zeitpunkt niemand. Beim hohen Tempo, das der Zett anschlägt, stellt man sich als Fan und Beobachter zwischenzeitlich die Frage: Die Zürcher werden doch nicht etwa durchmarschieren? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Es folgt ein durchwegs positiver Oktober. Aber dann kippt die Stimmung: Niederlage im ersten Auswärtsderby, besseres Ende für Lausanne im Penaltyschiessen und ein chancenloser Auftritt in Davos. Auf einmal wird es laut in der Garderobe und auch Marc Crawford «is not amused». Trainer und Spieler tüfteln nach dieser kleinen Resultat-Krise an einem neuen Erfolgsrezept. Ein wenig hiervon, ein wenig davon, und schon ist in Zürich wieder heile Welt: Die Limmatstädter gewinnen in der Folge neun von zehn Partien und setzen ein Ausrufenzeichen. Von nun an gilt es, die Leaderposition für den Rest der Regular Season erfolgreich zu verteidigen.
Misslungener Jahresauftakt und ein Momentum
Mit sieben Punkten Vorsprung auf den nächsten Verfolger machen sich die Zürcher auf den (vermeintlich lockeren) Weg zum Qualifikationssieg. Doch anscheinend haben die Lions über Weihnachten zu gut gegessen und den Hunger nach Punkten verloren. Der Tiefpunkt der ansonsten so souveränen Saison ereignet sich innert 24 Stunden an einem Januar-Wochenende: Die stolzen ZSC Lions verlieren sowohl im Löwenkäfig als tags darauf auch in Kloten beide Derbys. Leere Blicke bei den ZSC-Fans, ratlose Gesichter bei der Mannschaft. Die Medienlandschaft reibt sich derweil die Hände, denn endlich gibt es Gründe, um den grossen Favoriten aus der Limmatstadt zu kritisieren. Die Momentaufnahme nach diesen beiden Niederlagen ist schmerzhaft und zugleich der nächste wichtige Baustein zum Meistertitel. Solch eine Schmach wollen die Stadtzürcher nicht auf sich sitzenlassen. Die Mannschaft rappelt sich auf, wächst zusammen und befindet sich spätestens ab diesem Zeitpunkt auf einer Mission. Sie lässt sich den Qualifikationssieg nicht mehr nehmen und ist nach 52 Spieltagen klar an der Spitze der Tabelle. Mit 109 Punkten auf dem Konto schreibt der Zett zudem Geschichte: Klub-Punkterekord!
Unleash The Lion – das Playoff-Motto
Nach fast zweiwöchiger Pause dürfen die Herren endlich wieder in die Hosen. Der Viertelfinal-Gegner ist niemand geringeres als der EHC Biel. Im letzten Jahr fegten die Seeländer den ZSC noch regelrecht aus den Playoffs. Aber kaum etwas erinnert bei den Lions noch an die Mannschaft aus dem Vorjahr und genau das spiegelt sich in dieser Serie auf dem Eis wider. Derek Grant ist der grosse Held der Affiche und erzielt Tor um Tor. Unvergessen bleibt die Sternstunde von Yannick Zehnder in Spiel 3. Um 23:35 Uhr und nach 88 gespielten Minuten lenkt er einen Schuss von Patrick Geering zum 3:2 ins Tor. Am Ende gelingt Marc Crawford und seinem Team die Revanche für das vergangene Jahr, der Zett marschiert ohne Niederlage in den Halbfinal. Dort wartet mit dem EV Zug ein Gegner, bei dem die Zürcher noch eine viel grössere Rechnung offen hatten. Es kam der richtige Zeitpunkt, um dem Playoff-Motto alle Ehre zu machen. «Unleash The Lion» heisst zu Deutsch «Entfessle den Löwen». Dieses Motto haben sich die Stadtzürcher sehr zu Herzen genommen und den EVZ nach allen Regeln der Kunst aus dem Wettbewerb gekegelt. Den Zentralschweizern gelingt auf heimischem Eis kein einziger Treffer: «Sweet Sweep» und Hallo Playoff-Final 2024!
Perfekte Belle
In diesem Final stand für einige langjährige ZSC-Akteure der letzte Tanz an. Phil Baltisberger und Reto Schäppi verlassen den Klub in Richtung Liga-Konkurrenten und für Simon Bodenmann geht es in Hockey-Rente. Je länger die Serie dauert, um so öfter stellt sich für diese Spieler die Frage: «Ziehe ich das Lions-Trikot heute zum letzten Mal an?». Beim erstmaligen Löwen-Duell ZSC vs. Lausanne in einem Playoff-Final erleben die Fans beider Lager elektrisierende und spannende Partien auf allerhöchstem Niveau. Nicht nur die Protagonisten auf dem Eis, sondern auch die zahlreichen Fans spüren den Final total. Als die ZSC Lions ihren ersten Matchpuck im sechsten Spiel in Lausanne verpassen, während 8500 ZSC-Fans in der Swiss Life Arena am Public Viewing mitfiebern, kommen alte Bilder aus dem Jahr 2022 wieder hoch. Es scheint, als hätten auch die Waadtländer ihren Löwen entfesselt. Am 30. April 2024 stehen sich, begleitet von der Nationalhymne mit dem Meisterpokal als Objekt der Begierde auf dem Bullypunkt, die beiden Teams ein letztes Mal gegenüber. Die Choreografie des Limmatblock ist atemberaubend: «Hüt nomal glänze, für en Abig ohni Gränze.» Die Leistung der Zürcher im alles entscheidenden Spiel ist perfekt. Ohne Abwehrgeneral Yannick Weber, Virtuose Rudolfs Balcers und Topscorer Denis Malgin (alle verletzt). Letzterer verletzt sich im Game 7 und muss von der Spielerbank und damit vom besten Sitzplatz aus mit Tränen in den Augen seinen Jungs die Daumen drücken. Jesper Frödén und Juho Lammikko schiessen sich an diesem Abend in die Zürcher Geschichtsbücher und bescheren den ZSC Lions mit ihren Toren einen 2:0-Sieg und damit den 10. Meistertitel der Klubgeschichte. Alle Dämme brechen und den überdimensionalen Videowürfel ziert die Grafik «Unleashed – Schweizermeister 2024». Es folgt eine Nacht ohne Grenzen, in einem nun meisterlichen Löwenkäfig. Mittendrin: Frischgebackene Champions und stolze Fans, Familien und Freunde.