«Aller Anfang ist schwer», weiss Angelika Weber aus eigener Erfahrung. Sie stiess nur wenige Monate nach der Gründung des Frauenteams des ZSC in der Saison 1982/83 dazu und ist dem Klub bis heute treu geblieben. Die Stufenleiterin erinnert sich an die Zeit, als die Frauen nicht länger nur zuschauen, sondern den Sport selbst ausüben wollten. «Lange hörte ich: ‹Was, du spielst Eishockey? Wozu?›», erzählt die heute 56-Jährige. Wollte sie die Leute zu einem Spielbesuch animieren, hiess es: Frauen-Eishockey? Nein, niemals! Und Weber betont: «Solche Sprüche gab es auch von Frauen.»
Angela Frautschi ist 20 Jahre jünger, erlebte aber Ähnliches. «Weil es im Stadion keine Möglichkeit gab, die Ausrüstung zu deponieren, und ich kein Auto hatte, musste ich meine Hockeytasche stets mit mir herumschleppen. Am Hauptbahnhof erntete ich kritische Blicke», so die ehemalige Nationalspielerin.
Die Bronzemedaille sorgte fürs Umdenken
Erst der Bronze-Coup bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 sorgte für ein Umdenken. In letzter Zeit ist sogar ein regelrechter Boom entstanden. Der SCB übernahm das NLA-Team Thun, Davos die Thurgau Ladies, und nicht zuletzt investiert der EV Zug kräftig. Ausgerechnet die Zentralschweizer, die im Jahr 2007 ihr Frauenteam trotz fünf Titeln in acht Saisons aufgelöst hatten und nicht einmal bereit waren, für die fehlenden Kosten von 9500 Franken für eine Reise zum Europacup-Final nach Stockholm aufzukommen. Um Geld zu generieren, zogen die Spielerinnen für einen Erotikkalender blank.
Ganz anders der ZSC: Die Zürcher haben im Fraueneishockey Pionierarbeit geleistet. 2023 feierten sie ihr 40-Jahr-Jubiläum. Dass auch Präsident Walter Frey zugegen war, unterstreicht das Engagement des Klubs. «Als Organisation zeichnet uns die Nachhaltigkeit aus», hält Weber fest. «Wir legen Wert auf die Entwicklung der Spielerinnen, begleiten sie und stellen sicher, dass sie gute Bedingungen vorfinden. Das zählt zu unseren Stärken.»
Ursprünglich wurde das Team unter dem Namen «ZSC Astena» gegründet, eine Abkürzung der beiden Vornamen der Gründerinnen Astrid Marti und Elena Philipp. Da es noch keine Meisterschaft gab, wurden zunächst Freundschaftsspiele ausgetragen.
«Davos hat es nur bis zur Saisonhälfte geschafft, kam nicht mehr zum Rückspiel», erinnert sich Weber. «Ich weiss nicht, ob es an Spielerinnen mangelte oder ob sie einfach keine Lust mehr hatten.» Die Kontakte zur ZSC-Organisation waren damals spärlich. Man liess die Frauen gewähren und erlaubte ihnen, im alten Hallenstadion zu trainieren. Häufig mussten sie das Eis mit einer Nachwuchsmannschaft teilen. Es kam sogar vor, dass die Rennbahn gleichzeitig genutzt wurde. «Ich erinnere mich», sagt Weber schmunzelnd, «wie plötzlich ein Velofahrer die Bahn hinuntergerutscht kam, nachdem er von einem Puck getroffen worden war.»
Zu den grossen Förderern gehörte Ernst Meier. Der Ehrenpräsident pochte nach dem Zusammenschluss mit GC im Jahr 1997 darauf, dass sich der Klub vermehrt auch um das weibliche Geschlecht kümmert, liess dies sogar vertraglich festhalten. Mit dem Aufstieg in die höchste Liga, auch dank den Paraden der Torhüterin Florence Schelling, begann 2007 die Erfolgsgeschichte. Vier Jahre später folgte der erste Meistertitel.
Heute betreiben die Lions mit insgesamt 160 Spielerinnen nicht nur die grösste Frauenorganisation der Schweiz, sie sind mit neun Meistertiteln und zehn Cupsiegen auch das erfolgreichste Team der letzten Jahre. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Pyramide, also der Unterbau mit den GCK Lions in der zweit- und den Lions Girls in der dritthöchsten Spielklasse. Doch zufrieden gibt man sich bei den Zürcherinnen nicht.
Wer Angela Frautschi, als Spielerin dreifache Meisterin mit den Lions, reden hört, könnte den Eindruck gewinnen, sie hätten sportlich schwierige Zeiten durchgemacht. Denn trotz des Titel-Hattricks erklärt die Berner Trainerin: «Nicht alles ist so verlaufen, wie wir es uns erhofft hatten. Einzelne Spiele nahmen wir auf die leichte Schulter und dachten, dass 80 Prozent ausreichen würden, weil wir es uns gewohnt waren.»
Jahrelang dominierten die Lions und Lugano die Meisterschaft. «Damals, als sich einzig die Frage stellte, ob die Tessinerinnen oder wir den Titel gewinnen würden, gab es viele einfache Spiele. Bis zum Beginn des Playoff musstest du dich vielleicht viermal richtig anstrengen. Das war nicht gesund», ergänzt Weber. «Wir müssen nun härter arbeiten, um vorne mitspielen zu können.»
Die Liga sei ausgeglichener geworden. Es herrsche eine Aufbruchstimmung. Dass mit dem vor einem Jahr neu gegründeten Team aus Zug – der EVZ stieg mit einem Torverhältnis von 445:9 in die Women’s League auf – neue Konkurrenz dazustossen wird, sieht Frautschi als Chance. «Das Niveau wird sich weiter erhöhen. Die Spiele werden noch knapper ausfallen. Das motiviert und bringt uns weiter. Es macht mehr Spass, wenn man nicht schon im Voraus weiss, wer als Gewinnerin hervorgehen wird.»
Mädchen sind kein Problem mehr
Zug will seinen Akteurinnen ein Halbprofitum ermöglichen, sie zu 40 Prozent entlöhnen. Auch wenn das forsche Vorgehen den Zentralschweizern Kritik einbrachte, sagt Weber: «Zug weckte zusätzlichen Ehrgeiz, bestimmte Dinge schneller anzupacken und umzusetzen. Wir haben unseren Spielerinnen schon lange Materialgeld bezahlt, aber nun können wir ihnen auch Spesen erstatten.» Von einem Halbprofitum sind die Lions aber noch ein gutes Stück entfernt. Dafür bräuchte es einen zusätzlichen grossen Sponsor.
«Zug», sagt Weber, «hat vieles, woran wir noch arbeiten. Nichtsdestotrotz verfügen wir über einen guten Namen. Bei uns wissen die Spielerinnen, was sie bekommen. Überraschungen gibt es keine.» Mit dem Sportzentrum Heuried erhielten die Frauen 2017 ihre eigene Heimat. Nun profitieren auch sie von der Swiss Life Arena, können dort im Kraftraum ihr Sommertraining abhalten. Im Bereich der Athletik brauche es einen Schub, betont Weber. «Die Männer sind ein gutes Beispiel. Auch sie wurden athletischer und körperlich fitter.»
Unlängst wurde Weber gefragt, woher sie in all den Jahren die Kraft hergenommen habe. «Solange etwas zurückkommt, habe ich genügend Energie», antwortete die Wallisellerin. Sie freut sich. Denn: «Heute ist es kein Problem mehr, wenn ein Mädchen Eishockey spielt.»
Angelo Rocchinotti, Tages-Anzeiger